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„Ich wollte dem Fußball etwas zurückgeben“

Interview mit Susann Kunkel, kommissarische Vorsitzende des SHFV-Schiedsrichterausschusses

 

Lange gehörte Susann Kunkel zu den besten Unparteiischen Schleswig-Holsteins. Mit dem Finale im SHFV-LOTTO-Pokal der Herren 2021 beendete sie ihre aktive Laufbahn, bleibt dem Schiedsrichterwesen aber in anderer Rolle erhalten. Im Interview spricht die kommissarische Vorsitzende des SHFV-Schiedsrichterausschusses über den Wechsel von der Spielerinnen-Laufbahn zur Schiedsrichterin, Innovationen im Lehrwesen und ihre neue Aufgabe.

Bevor Du Dich für den Weg als Schiedsrichterin entschieden hast, warst Du selbst eine sehr lange Zeit aktive Spielerin und auch erfolgreich. Aufgrund einer schweren Verletzung hast Du dich dann für eine Laufbahn als Schiedsrichterin entschieden. Was hat Dich damals dazu bewegt, dem Fußball auf diese Art und Weise treu zu bleiben?

Für mich gab es damals mehrere Optionen. Eine war, als Trainerin beim FFC Oldesloe einzusteigen. Da ich zu dem Zeitpunkt allerdings im Schichtdienst bei der Polizei gearbeitet habe, erschien mir die Schiedsrichtertätigkeit einfacher in der Umsetzung. Als Individualsportlerin war ich dann nicht an feste Trainingszeiten mit einer Mannschaft gebunden. Zudem war mein Verein damals intensiv auf der Suche nach Schiedsrichter*innen und ich wollte das Projekt eines reinen Frauenfußballclubs u.a. in dieser Form unterstützen. Meinen Trainerschein habe ich dann zu einem späteren Zeitpunkt gemacht und war dann auch als Co-Trainerin neben dem Pfeifen tätig.

Viele erfolgreiche Fußballspielerinnen finden nach einer schweren Verletzung kaum oder nur schwer wieder den Weg zurück auf den Platz. Wie bist Du mit dieser Entscheidung umgegangen?

Als ich das Bewusstsein dafür hatte, als aktive Spielerin aufhören zu müssen, sind einige Tränen geflossen. Ich habe das Fußballspielen geliebt und liebe den Fußball im Ganzen. Am Ende war es eine reine Kopfentscheidung. Die Möglichkeit, als Schiedsrichterin dem Fußball erhalten bleiben zu können, hat mir im weiteren Umgang mit der Verletzung sehr geholfen. Als mein Körper dann auch das schiedsrichterspezifische Training gut verkraftet hat, bin ich hochmotiviert ins Schiedsrichterwesen eingestiegen.

Was gibst Du Frauen und Mädchen mit auf den Weg, um mit schweren Verletzungen umzugehen und die Motivation nicht zu verlieren?

Grundsätzlich muss eine schwere Verletzung nicht das Karriereende bedeuten. Hartes Arbeiten in der Reha, Geduld mit dem eigenen Körper und der Ausblick, wieder am Spiel teilnehmen zu können, können da helfen. Die Lehre von meinem Weg ist: Wenn sich mal eine Tür im Leben schließt, öffnen sich plötzlich andere, die man zuvor gar nicht gesehen hat. Für mich war es als aktive Spielerin undenkbar, Schiedsrichterin zu werden. Ich hätte ohne die Verletzung etwas verpasst, das ich in meinem Leben heute nicht hätte missen wollen. Es war eine Zeit, die mich in meiner Persönlichkeitsentwicklung weiter gepusht hat, ich habe Situationen im Umgang mit Spieler*innen, Trainer*innen und Schiedsrichterassistent*innen erlebt, die mich heute in meinem Führungsalltag in meinem Beruf besser machen. Es gibt also viele schöne Möglichkeiten, sich für den Fußball zu engagieren – auf und neben dem Platz!

Was hat sich bei den Schiedsrichterlehrgängen deiner Meinung nach geändert und worauf sollte noch mehr Fokus gelegt werden?

Die Schiedsrichterlehrgänge sind aus meiner Sicht praxisorientierter, interaktiver und digitaler geworden. Wir haben in Schleswig-Holstein mittlerweile sehr viele vom DFB fortgebildete Lehrpersonen, die ihre Kompetenzen erweitert haben und einbringen. Zudem freut es mich besonders, dass in vielen Kreisen sich auch junge Menschen für die Lehrarbeit engagieren. Durch die Altersdiversität werden viele neue Impulse gesetzt und die Fußballregeln können auf moderne Art und Weise den Schiedsrichter*innen nähergebracht werden. Grundsätzlich könnte das Regelwerk noch anwenderfreundlicher und einfacher formuliert sein, um es Neulingen schmackhafter zu machen. Die Veränderung der Regeltexte liegt jedoch nicht in unserem Kompetenzbereich.

Ab dem Anwärterlehrgang ging es für Dich relativ schnell weiter nach oben: Du hast 50 Partien in der 1. Frauen-Bundesliga und 32 Partien in der 2. Frauen-Bundesliga geleitet. Im Herrenbereich waren es über 100 Oberliga- und Regionalliga-Spiele. Nachdem Du im Jahr 2016 beim DFB-Pokal-Finale der Frauen an der Linie assistiert hast, durftest Du das Finale 2019 selbst leiten. Im gleichen Jahr gewannst du den Titel „Schiedsrichter des Jahres“. Das ist eine beeindruckende Bilanz! Für viele bist Du also nicht ohne Grund Vorbild. Was hat dich motiviert, auch in deiner Zeit als Schiedsrichterin immer am Ball zu bleiben?

Die sportlichen Erfolge sind natürlich ein wichtiger Faktor, sie haben mich angetrieben. Wenn diese mal ausgeblieben sind und Zweifel an der Tätigkeit aufgekommen ist, tat mir gut, mich auf das Wesentliche zu besinnen. Dazu gehörte die Antwort auf die Fragestellung, warum ich Schiedsrichterin geworden bin. Ein wichtiger Grund war, weil ich dem Fußball etwas zurückgeben und dazu beitragen wollte, dass zwei Mannschaften sich in einem sportlichen Wettkampf miteinander messen können. Am Ende spielt es dann auch keine Rolle, ob man seinen Beitrag dazu in der Bundesliga oder Kreisklasse leistet.

Im Juni 2021 hast Du mit dem SHFV-LOTTO-Pokal-Finale der Herren das letzte Spiel deiner aktiven Laufbahn geleitet. Dürfen wir weiterhin hoffen, dass Du dem Fußball treu bleibst?

Ich werde insbesondere dem schleswig-holsteinischen Fußball erhalten bleiben. Neben einem Amt im DFB habe ich ab dem 1. Juli den kommissarischen Vorsitz des Schiedsrichterausschusses im SHFV übernommen und vertrete das Schiedsrichterwesen in Richtung des Norddeutschen Fußball-Verbandes und des DFB. Ich freue mich über das Vertrauen meines Teams im Schiedsrichterausschuss, das im Sinne der Schiedsrichter*innen sein Bestes gibt. Durch die Vernetzung in unterschiedliche Bereiche des Frauenfußballs beobachte ich natürlich gespannt, welche neuen Impulse durch die Strategie „Frauen im Fußball – FF27“ des DFB und natürlich auch die „SHFV-Strategie für den Frauen- und Mädchenfußball bis 2025“ gesetzt werden können. Vom möglichen Zuwachs im Bereich des Frauen- und Mädchenfußballs profitiert erfahrungsgemäß auch immer das weibliche Schiedsrichterwesen. Nach dem Ausscheiden von Mirka Derlin aus der Frauen-Bundesliga sind hier große Fußstapfen für junge Frauen und Mädchen auszufüllen, die ihr Talent unter Beweis stellen können.